Für A. A.*
Mein Freund, beweine nicht, wenn früh wir sterben:
denn wir erkaufen uns die Jahre nicht.
Wir wolln auf unsre Art das Leben leben
und wolln nicht klagen, wenn es früh zerbricht.
Das Dasein wird nach Dauer nicht gemessen,
nicht nach dem Alter, nach gelebter Zeit.
Der frühe Tod, vielleicht, bringt uns die Dauer,
bewahrt den Namen vor Vergänglichkeit.
Ich hab geschworen, niemals mich zu schonen,
wenn es ums Volk, um meine Heimat geht.
Wer gäb nicht hundert, hätt er hundert Leben
damit das Vaterland im Kampf besteht?!
Hör, fern der Heimat, ich von unsern Siegen,
strömt Kraft aus weiter Ferne in mich ein.
Wie macht es stark, wie macht es unbesiegbar,
auch fern dem Volk, mit ihm vereint zu sein.
Schon’ ich die Haut, so werd ich lange leben,
wenn mich der Tod gefälligst übergeht.
Doch sag: wie soll ich in der Sonne gehen,
wenn mir das Kainsmal auf der Stirne steht?!
Es würde Tag für Tag das Licht mich quälen,
mein Herz erschlüge mich vor Scham und Pein!
Wie kann man leben, wenn die Heimaterde,
wenn Feld und Wald und Flur „Verräter!“ schrein?!
Nein, Freund, nicht traurig sein! Denn unser Leben
ist Funke nur, damit die Heimat lebt.
Der Tod ist Fackel: Wenn wir auch verlöschen,
das Licht steigt mit dem Volk, das sich erhebt.
Mit unserm Mut, durch unsre Heimatliebe,
beweisen wir des Todes Nichtigkeit.
Reich war die Jugend, Schmerz war da und Freude.
Die Fülle macht das Leben, nicht die Zeit.
Und bricht zu früh es ab, erlischt die Jugend
auch scheinbar ohne Spur - o glaub das nicht!
Die nach uns kommen, werden einstmals sagen:
Dies Jungsein wiegt! Solch Leben hat Gewicht!
* A. A. — Abdulla Alisch - tatarischer Dichter, der mit Mussa Dshalil zusammen in der Illegalität kämpfte und von den Faschisten hingerichtet wurde.
October 1943